Altstadt 1303 bis heute

Altstadt 1303 bis heute  

Geschichte der Altstadtachse:
Hanau um 1303 zur Zeit der Stadtgründung


Stadtgründung

Die erste Ansiedlung vollzog sich im Bereich der Marktstraße, des Altstädter Marktes, der 
Graf-Philipp-Ludwig-Straße (früher Schloßstraße), der Metzgerstraße und der Straße Am Goldschmiedehaus (früher kleine Fahrstraße). 
Dort wurde auch ziemlich am höchsten Punkt die Marienkirche gebaut.

Hanau war um 1340 mit einer Stadtmauer umgeben, deren Reste heute noch vorhanden sind.

Um die Stadtmauer herum führte ein Wassergraben, im nördlichen Teil der „Burggraben“ genannt. Dieser Graben wurde von den alten Kinzigarmen mit Wasser gespeist. 

Der gewachsene mittelalterliche Charakter des Straßennetzes geht auf die Zeit der Stadtgründung zurück.

Der Stadtgrundriss ist vom Landesamt für Denkmalpflege heute unter Schutz gestellt.

Verschwunden sind die frühere Wolfsgasse, die Fahrgasse, die Enge Gasse, die Neue Gasse und die Tiefe Gasse. Sie wurden Opfer des Wiederaufbaus der Altstadt nach 1945.

copyright Medienzentrum Hanau - Bildarchiv


Warum sieht die Altstadt heute so aus?  


Geschichte der Altstadtachse:
Altstadtsanierung 1938 bis 1941

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte 1950 der frühere städtische Baurat nach Hanau als parteiloser Stadtbaurat zurück. In der entscheidenden Phase des Wiederaufbaus der Altstadt konnte er bis 1962 bestimmen, wie der Wiederaufbau zu erfolgen hat.

Er wollte die Altstadt keinesfalls auf dem gegebenen mittelalterlichen Grundriss planen. Er kritisierte stets, dass der Wiederaufbau trotzdem auf der Basis der alten Straßenverläufe stattfand. Da die unter- irdischen Versorgungsleitungen trotz vieler Bombentreffer weitgehend erhalten geblieben waren, musste dieser Vorteil jedoch respektiert werden.

In einer vom Magistrat 1951 herausgegebenen Schrift formuliert der Stadtbaurat seine Gedanken zum Wiederaufbau der altstädtischen Strukturen: Der Reiz, der in den hohen, durch keine Dach- 
ausbauten unterbrochenen Dächern vieler alter Gebäude lag, darf nicht wiedererstehen. Die Form und die Größe der Dachausbauten sind so zu bemessen, dass sie sich dem Gesamtbild so gut wie möglich anpassen. Weiter formuliert er:

Der Forderung, beim Wiederaufbau der Altstadt, das früher in so reichem Maße sichtbare Holzfachwerk wiederzuverwenden, kann nicht beigestimmt werden. Die Forderung beruht zwar auf einer verständlichen, aber für einen mitten im heutigen Leben Stehenden nicht zu billigenden Verehrung für eine im Äußerlichen zum Ausdruck kommenden Romantik. Das Fachwerk ist eine historisch bedingte und in Städten überhaupt überlebte Bauweise, deren Beibehaltung oder Wiederholung nicht notwendig ist.
Ablehnung historischer Bezüge
Von der Ablehnung des Fachwerks musste er auf politischen Druck hin eine Ausnahme machen. Das Altstädter Rathaus wurde als rekonstruierter Fachwerkbau wiedererrichtet.

Der Stadtbaurat legte 1951 fest:

  • Eine historisierende Nachahmung von Einzelformen sind zu vermeiden.
  • Wir wollen uns ehrlich zu unserer Zeit bekennen, die die alte Kultur zu schätzen weiß, sie aber nicht nachahmt. Nicht stehen bleiben, sondern fortentwickeln, ob zu einer höheren Stufe, werden erst unsere Enkel entscheiden. Unzerstörte Bauteile von besonderem bau- künstlerischen Wert sind beim Neubau zu verwenden.
Ein erhalten gebliebenes Bauteil in der Fassade eines Neubaues, zusammen mit Sprossenfenstern. Das ist das heute noch sichtbare Altstadtverständnis.

Geschichte der Altstadtachse:
Stadt Hanau wurde Altstadt-Eigentümer 
und die Baugesellschaft baute

Zur Aufhebung der mittelalterlichen Kleinteiligkeit erwarb die Stadt Grundstücke und legte kleine Parzellen zusammen. Straßen wurden teilweise verbreitert oder wurden zu Baugrundstücken. 
Damit entstanden nach den Vorstellungen des Stadtbaurates größere bebaubare Einheiten.

Seinen unmittelbaren Einfluss auf die Bebauung der Altstadt setzte er in seiner Funktion als einer der Geschäftsführer der Baugesellschaft durch. Sie war mit der Bautätigkeit beauftragt.

Die Leistungen der Stadt Hanau beliefen sich nach dem Aufkauf und der Zusammenlegung der Grund- stücke auf die Baureifmachung der Gelände und deren Vergabe in Erbpacht an die gemeinnützige stadteigene Baugesellschaft . Die Bautätigkeit der Baugesellschaft bestand anschließend darin, geschlossene Blocks auf den Altstadtgrundrissen 
zu errichten.

Gebaut wurden meist Einfach- und Schlicht- wohnungen. Die Blockrandbebauung bildete Innenhöfe. Die Winkel und die Romantik gingen verloren.

Das Geschäfts- und Verwaltungszentrum wurde der Neustadt zugesprochen. 
Wiederaufbau Hanauer Altstadt
Abb.: Vorschlag von Prof. Bruno Paul zum Wiederaufbau 
der Hanauer Altstadt, 1951

Geschichte der Altstadtachse:
Blockbauten und Nicht-Architektur

Schon wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung waren die Neubauten meist mit der Kritik der monotonen und gesichtslosen Bauweise konfrontiert. Kritiker sahen darin die so genannte „Nicht-Architektur“ des sozialen Wohnungsbaues. Der Hanauer Anzeiger fragt 1952: Wird aus Hanau ein Blockhausen? Die Wiederaufbaudiskussion fand mit Ausnahme zweier Vorträge 1946 und 1948 fast vollkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Nachdem die monotonen und gesichtslosen Block- bauten errichtet waren, rechtfertigt der parteilose Stadtbaurat im Jahr 1955 die Beseitigung des regionaltypischen altstädtischen Charakters der früheren Altstadt: Rekonstruktionen entbehren einer realen Grundlage. Die Menschen von morgen werden durch die Stadt und ihre Bauten geformt, die wir heute bauen. Wir planen und bauen nicht für unsere Väter, auch nicht für uns, sondern für unsere Kinder und die nachfolgenden Generationen.

Rückblickend sah er aber auch Mängel im Stadtbild: Wie die Bauten aussahen, war für uns damals nicht so wichtig. Für uns galt vor allem in den ersten Jahren nach der Währungsreform, so schnell wie möglich Wohnungen zu schaffen.

Wunsch nach Korrekturen

Oberbürgermeister Karl Rehbein hebt zu Beginn des Altstadtwiederaufbaus 1951 hervor: Die schöne Stadt Hanau mit ihrer so reichen Geschichte, die den Dreißigjährigen Krieg und die napoleonischen Feldzüge überstand, wurde am 19. März 1945 in Schutt und Asche gelegt.
Wiederaufbau Hanauer Altstadt
In einer Nacht wurden die Werte von Jahrhunderten vernichtet. Verschwunden sind viele Herrlichkeiten. Mein herzlicher Wunsch ist es, dass es dieser traditionsreichen Stadt vergönnt sein möge, die schweren Wunden zu heilen, zum Segen unserer Bürger und der kommenden Generationen.

Oberbürgermeister Heinrich Fischer formuliert zum Abschluss des Altstadtwiederaufbaues 1961: Vieles, was dem Stadtbild sein besonderes Gepräge gab, ist unwiederbringlich verloren gegangen. Ich denke in diesem Zusammenhang vor allem an die charakter- vollen Fachwerkbauten der Altstadt und an die stattlichen Patrizierhäuser der Neustadt.

Zum Ende seiner Dienstzeit gibt der Stadtbaurat 1961 einen Ausblick in die Zukunft : Unsere Stadt, wie sie wieder geworden ist, ist Menschenwerk, für Menschen gemacht. Sie ist in stetiger Veränderung begriffen. Sie kann fortlaufend so umgestaltet werden, wie Menschen sie wünschen und brauchen. Das Werden und Wachsen der Stadt zu lenken, wird damit zu einer Aufgabe, die uns alle angeht.

Seit fast 70 Jahren stehen nun diese monotonen Baublocks in der Altstadt, ohne dass sich an ihrer Erscheinungsform irgendetwas verändert hätte. Das Lebensende dieser Bauten ist erreicht. Heute be- steht die Möglichkeit, die Tradition der charakter- vollen Fachwerkbauten (Oberbürgermeister Heinrich Fischer) wieder aufzunehmen und der Werte von Jahrhunderten (Oberbürgermeister Karl Rehbein) wieder sichtbar zu machen.

Geschichte der Altstadtachse:
Falsche Maßunterschiede und Fluchtlinien

Die Bebauung des Altstädter Marktes hat beim Wiederaufbau grundlegende Veränderungen erfahren. Der Hanauer Anzeiger berichtet 1954:

Das Altstädter Rathaus hat einst diesen intimen Marktplatz angenehm beherrscht. Beim Wieder- aufbau hat man ohne Rücksicht auf die notwendigen Maßunterschiede zwischen Rathaus und Umgebung viel zu hoch im Umkreis gebaut. Zudem hat man die Fluchtlinien der Häuser gegenüber dem Rathaus so geführt, dass der Platz nicht mehr als solcher, sondern als eine etwas kurvig ausgebuchtete Straße wirkt. Dadurch wird das alte Rathaus nur noch am Rande bleiben. Man wird an ihm vorbeigehen, ohne seine alte raumbindende Kraft zu spüren.
Altstädter Marktplatz in der Kritik
copyright Medienzentrum Hanau - Bildarchiv
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